Abschlussbilanz “aufhof”

Was wir mit und durch die Zwischennutzung eines ehemaligen Kaufhauses
für die Zukunft unserer Innenstadt lernen können

02.September 2024, Anika Bogon

Der aufhof als Zwischennutzung eines ehemaligen Kaufhauses in Hannovers Innenstadt ist Geschichte. Jedenfalls so, wie wir ihn in den 13 Monaten von Juni 2023 bis Juli 2024 erleben durften.

Was bleibt, was lief gut, wie kann es weitergehen? Diese Fragen leiteten uns am 15.08.2024, als wir mit den Verantwortlichen und interessierten Bürger*innen zusammen trafen, um Bilanz zu ziehen und die gemeinsame Erfahrungen im aufhof zu reflektieren. Zuerst wollten wir aber wissen, wie die ca. 60 Anwesenden den aufhof genutzt haben. Unsere Abfrage zu Beginn ergab folgendes:

Abfrage der Besucher und Besucherinnen,

  • ca 50 % waren als Besucher*innen im aufhof
  • ca. 10 % waren als Veranstalter*innen dort
  • ca. 90 % interessierten sich für das Thema Nachnutzung
  • ca. 50 % wird der aufhof fehlen

Stadtbaurat Thomas Vielhaber warf einen kurzen Blick zurück, wie der aufhof entstanden ist. Er schlug einen Bogen von der ersten Idee, mit dem Anspruch, mit den Angeboten der Landeshauptstadt näher bei den BürgerInnen zu sein bis hin zu der Zwischennutzung einer Fläche, die weitaus mehr Herausforderung war, aber gleichzeitig auch ungeahnte Chancen bot. Wie hannoverimpuls und die Hochschulen ins Boot kamen und sich innerhalb von drei Monaten ein interdisziplinäres Team bildete, das sich um die Raumaufteilung und -gestaltung, die Angebote, Veranstaltungen und auch alles andere kümmerte. Entstanden ist ein Ort, in dem Innovation und Stadtentwicklung aufeinandertrafen.

“Der Spirit unter den Menschen war spürbar”

Kurator und Organisator Ronald Clark erzählte von dem Druck, den Ort in so kurzer Zeit vorzubereiten und auch der Vizepräsident der Hochschule Hannover Martin Grotjahn musste damals schlucken, als er erfuhr dass sie nur drei Monate bis zur Eröffnung des aufhof hatten. Unkonventionelle Lösungen, Schnelligkeit und nicht zuletzt die Euphorie und das Engagement aller Beteiligten führten schließlich zum Erfolg.

“Die Menschen sind “entzündet” worden”

Die Bilanz des aufhofs kann sich sicherlich sehen lassen: 250.000 BesucherInnen kamen im Laufe der Zeit und machten den aufhof zu “der aufhof”, der sich immer weniger erklären musste. Ein Zugpferd war sicherlich die „Banksy”-Ausstellung in einem Obergeschoß, die 110.000 BesucherInnen zählte. Aber auch das Umfeld profitierte laut Stadtbaurat Thomas Vielhaber von diesem lebendigen Ort. Die Besucherfrequenz im aufhof führte dazu, dass die Gastronomie im Umfeld ihren Umsatz deutlich vergrößern konnte und verhinderte auch eine Verwahrlosung die sich oft um verlassene Gebäude zeigt.

Tim Gerstenberger vom Dezernat für Stadtentwicklung und Bauen machte deutlich, wie viele Gruppen sich dort getroffen haben, wie viele Begegnungen dort stattfanden, von Menschen, die sich sonst nicht getroffen hätten. Gunnar Spellmeyer (Design-Professor an der Hochschule Hannover) spitzte dies zu, indem er sagte dass ein Marktplatz der Begegnungen geschaffen wurde, hier konnte sich Gemeinschaft von ganz unterschiedlichen Menschen und Gruppen bilden.

Tatjana Sabljo, ebenfalls Professorin der Hochschule Hannover, berichtete von dem Interesse der Studierenden an flexiblen Lernorten, aber auch von der Begeisterung, als sie erlebten, dass – statt mit Protest – auch mit Beteiligung Veränderungen geschaffen werden können. Gemeinsam gelang es, den Fokus weg von der Perspektive eines möglichen Abrisses, hin zu großer Motivation für Aneignung und Bespielung zu wandeln.

Dass der aufhof mehr und mehr Präsenz im Bewusstsein der Stadt und ihrer Einwohnerinnen bekam war sicher auch ein Verdienst der Hannoverschen Allgemeine Zeitung. Redakteur Jan Sedelies hatte sein Büro kurzerhand in den aufhof verlegt und war dadurch mitten im Geschehen: “Wir wollten Teil sein, aber auch mitmachen und  mit experimentieren in der Innenstadt und dann hat es so eine Eigendynamik bekommen. Wir konnten gar nicht über alle Veranstaltungen berichten oder sie ankündigen, so schnelllebig und dynamisch wurde der aufhof und manch gute Idee – wie die sportliche Mittagspause, Kopfhörerkonzerte oder auch der Seniorentanztee – sollten eigentlich verstetigt werden und auf einmal war man wieder an einem ganz anderen Punkt und mit anderen Dingen beschäftigt. Aber wir haben viel gelernt und bspw. auch Angebote für SchülerInnen gemacht, die wir sonst nicht gemacht hätten.”

Auch für den Hochschulstandort war der aufhof ein Erfolgsfaktor: So berichtete Prof. Gunnar Spellmeyer, dass sich die Anzahl der Bewerbungen für das Design-Studium erhöht hat. Vizepräsident Martin Grotjahn erzählte von Begegnungen die allein dadurch möglich wurden, weil mit dem aufhof Wissenschaft und junge Studierende mitten in die Innenstadt geholt, und dadurch Transparenz und Austausch mit Einwohner*innen geschaffen wurde.

Der Abend sollte auch dazu dienen, noch einmal miteinander ins Gespräch zu kommen. In bewährter bbs-Manier haben die Gäste in kleinen Gruppen zusammengetragen was sie selber für Erwartungen und Vorstellungen hatten, welche sich erfüllt haben und was sie aus der Zeit im aufhof mitnehmen.

Viele BesucherInnen erzählten, dass sie offenen Austausch und Gemeinschaft gesucht hätten und gleichzeitig ganz offen waren, da sie den aufhof zu Beginn noch nicht “greifen” konnten. Begriffe wie Blackbox oder White Space fielen des öfteren und waren Synonyme für den Möglichkeitsraum zu dem der aufhof wurde. Sie erzählten von den vielfältigen Begegnungen mit Menschen und Themen und den besuchten Veranstaltungen, deren große Qualität herausgestellt wurde.

Die meisten Besucher*innen wünschten sich eine Fortsetzung des aufhof. als bspw. gemeinnützigen Ort der Raum gibt, wo neues entstehen und Kreativität gelebt werden kann. Ein Ort, der nicht nur abhängig vom Konsum besteht. Mit Aufenthaltsqualität und dem Erhalt der Niedrigschwelligkeit zum Beispiel auch für Wohnungslose.

Am Ende wurde natürlich auch die Frage nach einer Fortsetzung des aufhofs an Stadtbaurat Vielhaber gestellt. Vielhaber sprach von Indikatoren die dafür sprachen. Dabei verwies er darauf, dass er sich bei einer Suche nach einem möglichen Ort bei einer Fortsetzung nach dem definierten Bedarf und den Anforderungen an so einen Ort orientieren würde. Fakt ist, die LHH prüft aufgrund eines Auftrags aus dem Rat wie ein Konzept einer Verstetigung aussehen könnte.

Ronald Clark gab den Hinweis, dass das Prinzip quick und dirty auch bei einer Verstetigung möglich sein muss, um die Magie der Spontanität zu nutzen, und Gunnar Spellmeyer stellte die Frage in den Raum mit wieviel Strukturen die notwendige Agilität trotzdem erhalten bleiben kann. Er machte auch deutlich, dass für ihn der aufhof kein Experiment sondern ein Prototyp gewesen sei. Alle waren sich einig, dass die Erfahrungen mit dem aufhof den Blick geweitet hat.

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