Woher, wohin – Wasser in der Stadt

14.12. 2023, Anika Bogon

Am 9.11.2023 trafen sich etwa 50 Interessierte zum Thema “Wasser in der Stadt” um den Fragen nachzugehen, wie wir in unserer Stadt mit den zunehmenden Wettereskapaden, dem einerseits zu viel (Starkregen) und dem andererseits zu wenig (Dürre) Wasser umgegangen werden kann. Nicht zuletzt ging es auch darum, was jede und jeder einzelne tun kann um sich auf die sich verändernden Wetterbedingungen einstellen, also: Wie geht Klimafolgeanpassung selbst gemacht?

Der Deutsche Wetter Dienst (DWD) geht davon aus, dass Extremwetterereignisse in ganz Deutschland vermehrt auftreten werden. Diese gefährden nicht nur die Gesundheit der Bevölkerung, sondern können im schlimmsten Fall den Ausfall von kritischen Infrastrukturen wie z. B. Trinkwasserversorgung und Verkehr nach sich ziehen.

An diesem Abend haben wir also den Fokus auf diese Phänomene und ihre Auswirkungen auf das Stadtleben gelegt. Die Herausforderungen beim Umgang mit Starkregenereignissen ebenso wie die Chancen von Wassermanagement in der Stadt wurden thematisiert.

Mit Unterstützung unserer Referent*innen informierten wir uns über die Grundlagen und Herausforderungen rund um das Thema Wasser in der Stadt in Zeiten des Klimawandel, wir lernten die aktuellen Ansätze und Strategien aus Hannover und von andernorts kennen und erfuhren, was wir Bürger*innen als wassersensible Stadtgestalter*innen tun können.

Als Impulsgeber*innen agierten:

Dr. Markus Groth, Climate Service Center Germany (GERICS), Helmholtz-Zentrum hereon GmbH aus Hamburg, er gab uns einen thematischen Überblick und stieg ein ins Thema mit seinem Impuls zu: “Der Klimawandel und seine Folgen – Herausforderungen und Lösungsansätze am Beispiel Starkregen”

Dr.-Ing. Michael Pabst, Arbeitsbereichs-Verantwortlicher Generalplanung bei der Stadtentwässerung Hannover, sprach davon wie in Hannover der “Umgang mit Wasser in der Stadt”erfolgt.

Elisabeth Czorny, Landeshauptstadt Hannover, Bereichsleitung Umweltschutz, schließlich informierte sehr anschaulich darüber: “Was tut Hannover gegen Starkregen und Wassermangel?”

Mit Dr. Markus Groth gingen wir auf eine Reise durch die Zeit des Klimawandels und der aktuellen Forschung. Am Beispiel Rostocks zeigte er auf, wie die Modellierung bei Starkregenereignissen große Wasseransammlungen anzeigt. Simulationen von Pflegemaßnahmen von Entwässerungsgräben machten die große Entlastungsmöglichkeit für Abwassersysteme deutlich. Er wies darauf hin, dass Kommunen sich einerseits stärker für Überflutungen durch Starkregenereignisse sensibilisieren müssten. Andererseits sich aber auch Hausbesitzer*innen umfangreicher informieren und selbstverantwortlich handeln sollten, denn sie können einen relevanten Beitrag durch die Wartung und Pflege der eigenen Abwasserinfrastruktur und durch die Vermeidung bzw. Rücknahme von Versiegelung auf privatem Grund leisten. Auch durch Sach- und Fassadenbegrünung können sie messbare Effekte erzielen. Dr. Groth unterstrich die Notwendigkeit der Aufklärung von Immobilien- und Grundstücksbesitzer*innen in Bezug auf deren Handlungsoptionen – insbesondere präventiv – bei Starkregenereignissen. Denn, dass es eine deutliche Tendenz für heftigeren und häufiger auftretenden Starkregen gibt, ist unstrittig.

Dr.-Ing. Michael Pabst von der Stadtentwässerung Hannover nahm uns virtuell mit in Hannovers Kanalsystem und deren Misch- und Trennsysteme. Denn unter den Straßen Hannovers liegen über 2.500 Kilometer öffentliche Kanäle. Das entspricht etwa einer Strecke von Hannover bis Lissabon. Hannovers Kanalisation ist somit die drittlängste in ganz Deutschland – nach Berlin und Hamburg. Jährlich kommen fast 20 Kilometer neue Schmutz- und Regenwasserkanäle sowie etliche neue Hausanschlüsse hinzu. Diese unterschiedlichen Kanalsysteme stellen eine große Herausforderung dar und bedürfen unterschiedlicher Anpassungsstrategien. Pabst zeigte drei Herausforderungen für den Umgang mit Wasser in der Stadt und der zunehmenden Urbanisierung der Städte auf:

  1. Die Zunahme der versiegelten Flächen
  2. Ein entstehender Flächenkonflikt (bebaute, also überwiegend versiegelte vs. unbebaute also eher unversiegelte Flächen)
  3. Eine Zunahme der Emissionen.

Diese Begleiterscheinungen der Urbanisierung wirken sich auf das städtische Wasserregime aus, neben der Veränderung der Temperatur und einer großen Vielzahl an anderen Wandelprozessen (bspw. bezüglich Energie, Mobilität und Kommunikation) und einer Veränderung der Niederschläge, die zu Überflutungen im Stadtgebiet führen können.

Anders als Hochwasser in Gewässernähe können Überflutungen durch Starkregen in jedem Stadtteil vorkommen. Die Starkregenhinweiskarte dient einer ersten Identifikation von überflutungsgefährdeten Bereichen bei Starkregen im gesamten Stadtgebiet. Durch Eingabe des Straßennamens kann das Risiko angezeigt werden für:

  • Intensives Starkregenereignis
  • Außergewöhnliches Starkregenereignis
  • Extremes Starkregenereignis

Elisabeth Czorny von der Landeshauptstadt Hannover gab uns schließlich ein praktisches Beispiel dafür, wie Straßen klimaangepasst umgebaut werden können und erläuterte die Planung für die Prinzenstraße in Hannovers Innenstadt. Die Planungen sehen konkret Pflanzinseln und Bäume vor. Die Bewässerung des neuen Grüns soll “smart” erfolgen. Das bedeutet, die Bäume werden mit Sensoren ausgestattet, die Wasserbedarf anzeigen. Darauf wird das in einer unterirdischen Zisterne aufgefangene Regenwasser zur Bewässerung der Pflanzen genutzt. Wenn die Zisterne – eine somit smart gesteuerte Wassertankstelle – leer sein sollte, wird sie durch Grundwasser befüllt.

Elisabeth Czorny verwies auch auf das Neubaugebiet Herzkamp in Bothfeld, das nicht an die Regenwasserkanalisation angeschlossen sein wird, sondern wo Regenwasser in Versickerungsmulden und Notüberlaufflächen abfließen und vor Ort zu 100 % versickern kann.

Als drittes Beispiel für eine wassersensible Stadtentwicklung sprach sie über die Planungen am Steintor, auch dort sollen Bäume mit Sensoren ausgestattet werden. Sogenannte Zeigerbäume zeigten den Wasserbedarf für den ganzen Baumbestand auf dem Platz an, die Daten werden per Funk übermittelt und die Bewässerung also nur bei echtem Bedarf durchgeführt. Diese Strategie könnte/sollte auf den ganzen Stadtraum ausgeweitet werden.

 

In der anschließenden Diskussion im Plenum mit ca. 50 Veranstaltungsteilnehmer*innen wurden verschiedene Anregungen und Ansätze diskutiert. Wasser sollte dort verwertet werden, wo es anfällt. Immobilienbesitzer*innen sollten dafür – insbesondere in der Planung – stärkere Anreize erhalten. Auch die konsequente Speicherung von Regenwasser und Nutzung sowie Aufbereitung von Brauchwasser sollte mehr unterstützt werden. Der Forderung nach Entsiegelung stand die Wahrnehmung der gleichzeitigen, um sich greifenden Versiegelung entgegen. Auf die Frage nach einer besseren Verwertung von Regenwasser aus dem Plenum erklärte Michael Pabst, dies sei im öffentlichen Raum größtenteils durch die nicht vorhandenen Trennung von Regen- und Schmutzwasser nicht möglich. Die Umsetzbarkeit sei außerhalb von Neubaugebieten schwierig und kostenintensiv, bei Neubauprojekten und bei Sanierung öffentlicher Flächen allerdings machbar und sinnvoll.

Dem Ruf nach mehr Fassadenbegrünung für ein besseres Mikroklima und Beschattung und Kühlung entgegnete Elisabeth Czorny, dass die bisherigen Förderprogramme leider weniger abgerufen wurden als erwartet. Ebenso zusammen mit dem Umweltverband BUND Region Hannover aufgelegte Förderprogramm zur Entsiegelung von Flächen trifft bisher auf zu wenig Resonanz seitens privater Eigentümer*innen. Hier sollte es mehr gesetzliche Verbindlichkeiten geben, so einige Stimmen aus dem Plenum. Im Neubau bei Flachdächern gibt es bereits eine verpflichtende Begrünung von 50 % der Dachfläche.

Generell wurde deutlich, dass mehr Kommunikation und Informationen über die Möglichkeiten, Angebote und Förderungsmöglichkeiten bei Klimaschutzmaßnahmen für Hauseigentümer*innen erforderlich ist. Die Bürger*innen wünschten sich mehr Beteiligung, gleichzeitig wurde teilweise der Ruf nach stärkeren gesetzlichen Regelungen laut. Es sollten mehr Anreize geschaffen werden. Der Flaschenhals wurde aber auch hier deutlich: Finanzen, Ressourcen und Personal.

Nicht alle Fragen konnten an diesem Abend beantwortet werden. Ein Austausch über gute Ideen konnte aber verstärkt werden. Impulse, was wer tun kann, konnten alle Beteiligten mitnehmen. Denn das ist wichtig festzuhalten: Bei allen Herausforderungen kommt es auch darauf an, dass jede(r) einzelne Verantwortung übernehmen und etwas beitragen kann, und die Kommunen nicht für alles eine Bringschuld haben.

Im Aufsteh-Soziogramm ganz am Anfang der Veranstaltung wurde deutlich, dass sich viele Teilnehmer*inne auch besonders für das Thema Hitze und Trockenheit in der Stadt interessieren. Das Thema wird uns daher in 2024 begleiten.

Weiterführende Webseiten

Globalwarmingindex

Diese Zahl zeigt eine sekundengenaue Einschätzung der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Im Pariser Abkommen von 2015 haben sich Länder auf der ganzen Welt darauf geeinigt, darauf hinzuarbeiten, die globale Erwärmung unter 2 Grad – und idealerweise auf 1,5 Grad – zu begrenzen, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden.

GERICS Stadtbaukasten

Herausforderungen erkennen, rechtzeitig handeln – Module für eine nachhaltige, klimaangepasste Stadtplanung

Wie funktionstüchtig und ressourcenschonend wird Ihre Stadt unter Klimawandel-Bedingungen sein? Können Sie zukünftige Lebensqualität und Infrastruktur heute schon positiv beeinflussen? Der Stadtbaukasten bietet Hilfe beim Umbau zur Klima-Nachhaltigkeit.

Klimaausblick Niedersachsen

Dieser Klimaausblick informiert über mögliche zukünftige Entwicklungen des Klimas in Niedersachsen,
basierend auf den Ergebnissen von 85 regionalen Klimamodelsimulationen. Es werden 17 verschiedene
Kennwerte für Klimaänderungen dargestellt, die in unterschiedlichen Handlungsfeldern relevant sind. Sie
werden durch eine Experteneinschätzung zur Robustheit der gezeigten Änderungen ergänzt. Die Kennwerte
werden auch für das Klima der nahen Vergangenheit dargestellt. Diese wurden aus Beobachtungsdaten für
Niedersachsen berechnet

Starkregenhinweiskarte

Die Starkregenhinweiskarte dient einer ersten Identifikation von überflutungsgefährdeten Bereichen bei Starkregen im gesamten Stadtgebiet.

Broschüre “Überflutungsschutz Starkregen” Vorsorge-Abwehr-Nachsorge

Klimaanalysekarte der Landeshauptstadt Hannover

Film: Klimawandel: Hitze, Trockenheit und Starkregen

Welche Maßnahmen trifft die Landeshauptstadt Hannover

Für Städte werden die Auswirkungen der Klimaveränderungen in den nächsten Jahren deutlich zunehmen. Welche Maßnahmen trifft die Landeshauptstadt Hannover, um dem langfristig entgegenzuwirken? Wie werden Forschungsergebnisse der Hochschulen genutzt? Mitarbeitende unterschiedlicher Fachabteilungen sowie die Dezernentin für Wirtschaft und Umwelt geben einen Überblick in laufende und geplante Projekte.