ZUKUNFTinnenSTADT

Natur im Zentrum

Stadtgrün und die Bedeutung von Natur in Stadtzentren (8.07.21)

RednerInnen

Thesen

  1. Die Innenstadt Hannovers ist zu grau und zu steinern.

  2. Erkenntnisse und Wissen zu nachhaltigem und gutem Leben in der Stadt sind schon lange vorhanden, der Bewusstseinswandel schreitet voran, die Umsetzung steht aber noch weitgehend aus. 

  3. Nutzungskonflikten kann begegnet werden, indem die schöne und attraktive Innenstadt erlebbar gemacht wird. 

  4. Reallabore und Experimentierräume müssen als Werkzeuge und Bestandteile der Planungspraxis zur nachhaltigen Flächenentwicklung dauerhaft eingeführt werden.

  5. Hannover soll mutig verbindliche Auflagen schaffen, etwa zur Begrünung von Neubauten – Freiwilligkeit genügt nicht!

  6. Bei jeder Planung muss Hannover sich am Gemeinwohl und der Nachhaltigkeit orientieren.

  7. Parkräume sollen zu Park-Räumen werden, statt Blumenkübeln auf Asphalt müssen Flächen entsiegelt werden: Auf dem Weg zur Schwammstadt.

  8. Vorhandene Grünflächen müssen ökologisch aufgewertet werden, zum Beispiel am Leineufer.

Hannover ist als Gartenstadt mit Tradition bekannt, aber die Innenstadt fällt zurück. Freiraumentwickler*innen beschreiben Hannovers öffentliche Räume als „zu grau, zu steinern“. Kann Natur helfen, die City aufatmen zu lassen? Darüber sprachen Lisa Kreft (Verkehrsclub Deutschland e. V.) und Dr. Martin Sondermann (Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz Gemeinschaft) mit den 50 Teilnehmenden und der Moderatorin Prof. Dr. Tanja Mölders (LUH/ARL) am 8. Juli im Rahmen der bbs-Veranstaltung “Natur im Zentrum – Stadtgrün und die Bedeutung von Natur in Stadtzentren“. Diese ist Teil von ZUKUNFTinnenSTADT.

„Um Städte grüner zu machen, muss lokales Expert*innenwissen in Quartieren gesammelt, gebündelt und aufbereitet werden. So kann eine kritische Masse zustande kommen und sich hohe Strahlkraft entfalten.” (Lisa Kreft)

Lisa Kreft arbeitet beim VCD für das Kommunikationsprojekt “Straßen für Menschen” mit dem Schwerpunkt Flächengerechtigkeit und Umnutzung von Verkehrsräumen. Zukünftige Herausforderungen wie Klimaanpassungen oder die Bedürfnisse der Gesellschaft machen solche Umnutzungen notwendig. 2014 zeigte eine Befragung in London, was Menschen für einen gesunden Straßenraum halten. Dazu gehören z. B. saubere Luft, Orte zum Verweilen sowie Schatten, der durch Bäume gespendet wird. Eine Intensivierung des Stadtgrüns kommt diesen Aspekten entgegen. Bei einer Außentemperatur von 28°C erhitzt sich der Beton auf bis zu 50°C, während der Rasen im Schatten sogar nur 26°C anzeigt. Problem: weiterhin dominiert der Autoverkehr auf den Flächen. Lisa Kreft zeigte motivierende Beispiele der alternativen Nutzung auf, wie z. B. „Stadt aufmöbeln”, „Gieß den Kiez” oder die Wanderbaumallee, die bald auch in Hannover steht.

„Die Innenstadt Hannovers leidet unter Hitzestress und hat wenig Aufenthaltsqualität. Wissen und kreative Ideen, das zu ändern, sind bekannt. Eine Umsetzung erfordert Mut, Kraft, Diskussion und Überzeugungsarbeit.” (Dr. Martin Sondermann)

Dr. Martin Sondermann brachte die planerische Perspektive in die Runde. Er bewertete das Grün der hannoverschen Innenstadt insgesamt positiv, doch appellierte, sich nicht auf dem aktuellen Stand auszuruhen. Er machte klar, dass Stadt(grün)entwicklung eine kommunale Aufgabe ist und es viele Potenziale in Hannover gibt. So kann die Stadt Auflagen für Investoren festlegen, was die Begrünung von Neubauten betrifft. Hier sei Hannover nicht mutig genug. Bei der Planung müsse sich eine Stadt am Gemeinwohl und der Nachhaltigkeit orientieren – was ist für wen nutzbar und wie lange? Im öffentlichen Raum sei im Prinzip alles möglich, was wichtig für die Demokratie in einer Stadt sei. Als weiteres Positivbeispiel der integrativen Stadtentwicklung stellte er Lissabon vor. Einwohner*innen legten auf einer Brache einen illegalen Gemüsegarten an. Die Stadt griff die Initiative auf, förderte und schuf drumherum ein neuer Aufenthaltsort: der Parque Urbano da Quinta da Granja. Er ist Teil eines wachsenden Netzwerks und zeigt eindrücklich, dass Verwaltung sich an Initiativen aus der Bevölkerung kreativ beteiligen kann.

Inspiriert von den Vorträgen diskutierten die Teilnehmenden in Kleingruppen. Viele Ideen sammelten sich, als es darum ging, in die Rolle eine*r Freiraumplaner*in zu schlüpfen: Die Neuverteilung des öffentlichen Raumes und der Umgang mit Hitzeinseln waren wichtige Oberbegriffe. Konkret wurde über die Verschönerung des Leineufers (Verwildert oder gepflegt?) und den Andreas-Hermes-Platz gesprochen.

Was braucht Hannover, um eine grüne Innenstadt umzusetzen? Die bisherige Flächennutzung muss überdacht werden. Die gesamte Stadtgesellschaft soll eingeladen werden, Straßen nach ihren Bedürfnissen zu gestalten. Erkenntnisse und Wissen zu nachhaltigem und gutem Leben in der Stadt sind schon lange vorhanden, aber ein Bewusstseinswandel steht noch aus. Nutzungskonflikten kann begegnet werden, indem in Reallaboren die schöne und attraktive Innenstadt erlebbar gemacht wird. Die Experimentierräume sind ein bemerkenswerter Versuch dazu.

 

 

Das Bild zeigt die Ideen und Wünsche, die in den Kleingruppen entstanden sind, außerdem erhalten Sie nachfolgend noch einmal die Möglichkeit, sich die Vorträge von Lisa Kreft und Dr. Martin Sondermann in Gesamtlänge anzuschauen.