Zwischenbilanz “aufhof”
Was wir mit und durch die Zwischennutzung eines ehemaligen Kaufhauses
für die Zukunft unserer Innenstadt lernen können
12. Dezember, Kristina Pritzl
Etwas mehr als 6 Monate ist es her, nachdem der aufhof (ehemals Galeria Karstadt Kaufhof, ehemals Kaufhof, ehemals Horten) für die Bevölkerung seine Türen geöffnet hat. Seitdem, und auch schon davor, ist viel passiert (siehe Blogbeitrag vom 14. Juni 2023 – Träume im Kaufhaus). Mitte November (15.11.2023) sind nun viele Akteur*innen sowie Interessierte Personen zusammengekommen, um Fragen zu stellen und die gemachten Erfahrungen zu reflektieren. Wir fragten:
- Was lief gut?
- Was nicht so gut?
- Wie geht es jetzt weiter?
Es wurde zu Beginn von den Initiator*innen berichtet, wie sich das operative Team entwickelt hat, wer welche Funktion hat und wie sie zu dem Projekt aufhof gekommen sind. Es hat sich laut allen Beteiligten schnell herauskristallisiert, dass sich durch das Einverständnis des Eigentümers der Immobilie, eine einmalige Gelegenheit für die Stadt Hannover und die Hochschule Hannover ergeben hat, auf die einige schon 25 Jahre hingearbeitet hatten. Jetzt oder nie war das Motto der Stunde und so wurde der aufhof Wirklichkeit.
Professor Gunnar Spellmeyer (Hochschule Hannover) erzählt davon, warum die Kreativität so wichtig ist, dass viele Menschen im Laufe Ihres Lebens den Zugang zu dieser scheinbar verloren haben und die Kraft der Kreativität etwas Ermutigendes haben kann. Sie schafft transformative Prozesse, so auch das Projekt aufhof, bei dem sich Studierende vor allem um die Gestaltung des Innenraums Gedanken gemacht und diese umgesetzt haben.
Das erste Mal im leerstehenden aufhof, daran erinnern sich alle zurück… an den November 2022. Es war dreckig und fehlte vor allem an Technik. Ein paar Monate später, am 30. Mai 2023 erfolgte dann die Eröffnung. Die größten Hürden sind bis heute allerdings sowohl die finanziellen als auch die knappen personellen Ressourcen zum Betrieb des Hauses.
Manfred Kutzinski ist Projektleiter, entsandt von hannoverimpuls und ist bei der Deutschen Messe AG mit über 30 Jahren Berufserfahrung tätig. Im März 2023 hat er das erste Mal von dem Projekt gehört und war sofort daran interessiert, als Manager mitzuwirken, er ist von den Menschen begeistert, die sich beim aufhof engagieren. Ab Mai 2023 ist er im aufhof hauptamtlich aktiv und wird nach dem Projektende wieder zur Deutschen Messe AG zurückgehen.
Ronald Clark ist als Kurator für die Nutzung der Flächen engagiert. Im Vorfeld erhielt vom Büro des Oberbürgermeisters einen Anruf, ob er sich vorstellen könne, beim aufhof mit der Bespielung von 800 qm Ausstellungsfläche mitzuwirken. Er konnte es sich vorstellen und ist seither der Hüter über die Nutzung der Flächen.
Professorin Tatjana Sabljo (Hochschule Hannover) ist ein wertvolles Teammitglied, indem sie vor allem fachplanerisch zur Aufteilung sowie Gestaltung der Flächen aber auch zu Themen wie Brandschutz und Fluchtwege ihren Input als erfahrene Architektin leistet.
Alle Beteiligten sind sich einig, dass der aufhof als Experiment zu sehen ist und bei diesem Projekt auch noch Luft nach oben ist. Laut Ronald Clark ist vor allem die Vielseitigkeit in den Veranstaltungen und Ausstellungen das Erfolgskonzept des aufhofs. Niederschwellig vermischt sich hier ein breites Publikum.
Der aufhof sollte als Ort der Beteiligung und des Engagements verstanden werden und laut Gunnar Spellmeyer „keine Elfenbeintürme“ nach außen transportieren.
Doch nun stellt sich auch die Frage, gestellt von Moderator Oliver Kuklinski vom bbs: Was hat nicht so gut funktioniert und was wurde vielleicht als Hürde unterschätzt?
Aus fachplanerischer Perspektive von Professorin Tatjana Sabljo wurde vor allem die schwierige Akustik stark unterschätzt. Zu Beginn hatten alle noch die großzügigen Räume des Kaufhof´s mit seiner gedämpften Akustik in Erinnerung. Allerdings zeigte der Raum akustisch von Anfang an eher den Charakter einer lärmenden Messehalle.
Manfred Kutzinski berichtet, dass das alte Kaufhofgebäude nach Entfernung der Waren und Einbauten vor allem seinen Renovierungsstau deutlich gezeigt hat. Der daraus folgende Aufwand zur grundlegenden Ertüchtigung der Fläche hat vor allem zu Beginn Zeit und Nerven gekostet, dadurch konnten auch weniger Ressourcen für den Inhalt bzw. die Gestaltung des aufhofs im Sinne seiner neuen Nutzung eingesetzt werden.
Alle sind sich einig: Ohne einen gewissen Idealismus aller beteiligten Personen, den erfahrenen Elektriker im Haus und engagierten Menschen, die auch spätabends und am Wochenende verfügbar waren, hätte es das Projekt aufhof so nicht geben können.
Stadtbaurat Thomas Vielhaber berichtet, dass die Ausstellungsflächen von verschiedensten Initiativen, als auch der eigenen Stadtverwaltung, erst einmal als eigenständiger, wertvoller Ort wahrgenommen und anerkannt werden mussten.
Prof. Gunnar Spellmeyer betont auch, dass die Kommunikation im Außen wichtig und mit zu wenig Ressourcen erfolgte, hier hätte es mehr gebraucht. Er wünschte sich auch von Seiten der hannoverschen Wirtschaft mehr Interesse an einem Projekt wie diesem.
Nach dem Auftaktgespräch mit den Initiator*innen teilte sich die Teilnehmer*innenschaft in drei Arbeitsgruppen: Akteur*innen (die im aufhof Aktivitäten, Veranstaltungen, Ausstellungen durchgeführt haben), Besucher*innen und die Initiator*innen
In den drei Gruppen wurde sich zu den folgenden Fragen, in Bezug auf den aufhof, ausgetauscht:
- Was hatten wir zu Beginn erwartet?
- Was haben wir erlebt?
- Was war toll?
- Was war schade?
- Was wünschen wir uns?
Es wurde von Seiten der Akteur*innen von vielen Besucher*innen in den letzten Wochen und Monaten, seit Eröffnung, berichtet. Sowohl Besucher*innen als auch Akteur*innen waren vor allem neugierig und haben erst einmal nicht so hohe Erwartungen an das Projekt gehabt.
Bei Frage zwei wurde von Akteur*innen berichtet, dass vor allem die Mischung des Generationenspektrums positiv in Erinnerung bleibt. Besucher:innen haben berichtet, dass sie in Veranstaltungen, als auch den Ausstellungen informiert und inhaltlich mitgenommen wurden. Die besondere Grundatmosphäre und die Zugänglichkeit zu Ausstellungen wurde von allen Seiten hervorgehoben und die ausliegenden Bücher (der Stadtbibliothek) für Kinder und Jugendliche, wurden positiv erwähnt.
Schade war vor allem für die Akteur:innen, dass, unter Anbetracht der Zeit, Menschen sich eher langsam an neue Orte gewöhnen und die Wirtschaft auch mehr an einer Teilnahme bei diesem Projekt profitieren könnte.
Besucher*innen kritisierten vor allem die schwere Zugänglichkeit durch zu viele Barrieren wie Türen. Oftmals gab es in der Kommunikation Probleme, wer für Veranstaltungen ansprechbar sei, welche Veranstaltung wann stattfindet und die schwierige Akustik wurde auch bemängelt.
Alle Beteiligten bei der Veranstaltung wünschen sich eine bessere Kommunikation im Außen mit dem Projekt aufhof und dass ein Ort wie dieser erhalten werden solle.
Bei der abschließenden Fishbowl Diskussion waren neben den schon genannten Initiator*innen noch von der Stadtverwaltung Hannover, Frau Ulrike Roth (Stadtplanung) und Frau Theda Minthe (Wissenschaftsstadt Hannover) dabei. Jetzt ging es vor allem noch einmal darum: Was haben wir gelernt und was könnten wir besser machen? Sollte der aufhof so erhalten bleiben wie er ist oder wäre ein komplett neues Projekt andernorts in der Innenstadt besser?
Laut Stadtbaurat Thomas Vielhaber ist der aufhof in seiner derzeitigen Ausprägung vor allem ein Kompromiss zwischen Interessengruppen. Es wurde sich oft die Frage gestellt: Was können wir unter den gegebenen Umständen erreichen und was können wir nicht leisten? Und hier lautet das Schlagwort: IMPROVISATION. Langfristig gedacht, sollte seiner Meinung nach eine andere Professionalität möglich sein. Allerdings reflektiert er auch, dass gerade der improvisierte Charakter des aufhofs das Projekt ausmacht. Hier ist nichts Perfekt, somit entsteht eine unverwechselbare Lebendigkeit und gemessen an der Kritik ist dieses “Nicht-Perfekte” völlig okay und vielleicht sogar die besondere Qualität.
Ulrike Roth hebt nochmal die Wichtigkeit der belebten Erdgeschosszone des Hauses und die Zugänglichkeit von Außen hervor, beides hat sich positiv auch auf das Umfeld, die Sauberkeit und Ordnung und sogar die Umsätze der benachbarten Geschäfte ausgewirkt.
Insgesamt haben bisher 140 Veranstaltungen im aufhof stattgefunden. Dies ist beachtlich, Kongresszentren schaffen laut Manfred Kutzinski diese Kapazität kaum. Allerdings ist hervorzuheben, dass viele, vor allem gemeinwesenorientierte, Aktivitäten keinerlei finanzielle Einnahmen für den Betrieb erbracht haben. Lediglich die im dritten OG veranstaltete kommerzielle Banksy-Ausstellung hat einen relevanten Beitrag zur Finanzierung erbracht.
Innerhalb von wenigen Wochen, einer geringen Investitionssumme aus dem Stadthaushalt, ad hoc aktiviertem Managementpotenzial, jeder Menge Courage und Initiative ist das Projekt aufhof aus dem Boden gestampft worden. Es wird deutlich, dass es dazu eine Allianz aus Kultur-, Sozial- und Wirtschaftsakteuren für Projekte wie dieses braucht.
Der aufhof gibt auch Antworten darauf, wie die Stadt und die Stadtgesellschaft mit den kommenden Leerständen in der Innenstadt umgehen sollte: Belebung und Nutzung, Öffnung für andere, neue Nutzungen, Erfahrungen und Akteure, nicht kommerzielle Aktivitäten in Kombination mit kommerziell interessanten Magneten statt zugeklebter Scheiben.
Offen bleibt die Frage, was passiert, wenn sich am 25. Februar die Türen des aufhofs ein letztes Mal schließen? Wie geht es weiter mit dem ehemaligen Kaufhof und mit den bestehenden und weiter zu erwartenden Leerständen in unserer Innenstadt?
Und in Bezug auf das gelungene Experiment aufhof: Wie sammeln wir die gemachten Erfahrungen? Wie machen wir das entstandene Wissen nachhaltig nutzbar für weitere/ähnliche Projekte in Hannover und andernorts? Ein Aufhof-Seum? Ein Aufruf an alle Besucher*innen zur Einsendung von Fotos und Geschichten?
Es bleibt spannend! Das Projekt aufhof ist schlussendlich, etwas ganz Besonderes, ein urbanes Lernexperiment, ein neuer Weg zum Umgang mit den Transformationsherausforderungen in unserer Innenstadt. In jedem Fall haben wir erfahren und gelernt, dass es auch in Hannover einen Ort in der Innenstadt gebrauchen kann, an dem sich die Gesellschaft ohne Konsumzwang begegnen und aufhalten kann, in der wir miteinander neue Erfahrungen in der Mitte unserer Stadt machen können.
Wir blicken neugierig auf die letzten Monate im aufhof und treffen uns wieder zum Ende, zu einer abschließenden Bilanzveranstaltung im Herzen unserer Stadt Anfang 2024.
Ich habe mehrfach Veranstaltungen besucht und auch die Ausstellungen einschl. Banksy. Was mir neben den Angeboten gefallen hat: hier ist ein Ort mitten in der Stadt, wo man sich ohne Konsumzwang aufhalten kann, ob zum Arbeiten, zum Ausruhen oder zum Austausch. Grade gestern habe ich gedacht: so ein Ort hat bislang gefehlt! Und schade, wenn er wieder weg sein sollte.